Karstgebiete in Baden-Württemberg
Der Begriff "Karst", ursprünglich der Name einer Kalkregion im italienisch-slowenischen Grenzgebiet, wird als Fachausdruck für alle Landschaften verwendet, die sich durch unterirdische Entwässerung (Höhlenbildung) und ein spezielles oberirdisches Erscheinungsbild wie Dolinen (Erdfälle), Ponore (Wasserschwinden), Karstwannen (abflusslose Senken) u.a. auszeichnen.
Baden-Württemberg, mit 35.751 qkm Fläche drittgrößtes Bundesland, besitzt einen großen, allgemein kaum bekannten Reichtum an Karstformen. Vierzig Prozent der Landesfläche von Baden-Württemberg sind verkarstet. Die beiden größten deutschen Quellen, der Aachtopf und der Blautopf, befinden sich im südlichen Teil des Südweststaates.
Trockental auf der Schwäbischen Alb
(Bild: Archiv des LHK)
Vierzehn Schauhöhlen sorgen für die Erfüllung touristischer Wünsche – mehr als in jedem anderen Bundesland. Auch eine der längsten Höhlen Deutschlands, das Fuchslabyrinth mit über 8 km Gesamtganglänge, liegt in Baden-Württemberg. Im Folgenden werden die Karstgebiete Baden-Württembergs kurz vorgestellt.
Schwäbische Alb - UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb( → Geopark Schwäbische Alb ) |
Die Schwäbische Alb ist das klassische Karstgebiet in Baden-Württemberg. Auf rund 180 km Länge und 40 km Breite treten hier in Gesteinen des Oberen Jura alle typischen Merkmale des Karstes besonders ausgeprägt auf. Bekannt sind große Karstquellen wie Blau-, Brenz- und Aachtopf, letzterer durch die Donauversinkungen bei Immendingen und Fridingen gespeist. Es existieren große Dolinenfelder mit imposanten Einbruchsdolinen (Aufberger Loch bei Lichtenstein) und Karstwannen (Rauhe Wiese zwischen Böhmenkirch und Bartholomä; Battenau östlich von Geislingen/Steige, Ortsteil Weiler ). Episodische Quellen (Altheimer Hungerbrunnen) finden sich ebenso wie Ponore (Stauchloch am Randecker Maar). Vor allem aber sind derzeit im Katastergebiet Schwäbische Alb über 2800 Höhlen bekannt, die durch Ihre Funktionen als geologische Aufschlüsse, Wasserwege, archäologische und paläontologische Fundstätten und als Lebensräume für bedrohte Tierarten auch für uns Menschen bedeutsam sind.
Muschelkalkgebiete
Der Muschelkalk Baden-Württembergs, geologisch als Mittelglied der Trias (195-225 Mio. Jahre) zugehörig und damit älter als der Jura (136-195 Mio. Jahre), ist in verschiedenen Landschaften verbreitet. Er tritt als Band vom Nordosten des Landes (Taubergrund, Bauland, Hohenloher Ebene) über den Mittelteil (Neckarbecken bei Stuttgart, Gäuflächen) bis zum Südwesten (Baar, Wutachgebiet, Dinkelberg) auf.
Obwohl hier alle Merkmale eines Vollkarstes vorhanden sind, setzte die Erforschung und damit die Kenntnis über das Ausmaß der Verkarstung erst Mitte der 60er Jahre verstärkt ein. Flussversickerungen (Jagst bei Crailsheim, Wutach bei Bonndorf), Karstquellen (Neunbronn im Bühlertal am Rande der Haller Ebene, Bronnenmühlquelle bei Rottenburg) und große Dolinenfelder, besonders an der Grenze zum überlagernden Lettenkeuper, sind weit verbreitet.
Auch das in Europa nach Budapest größte Mineralwasservorkommen von Stuttgart-Bad Cannstatt ist auf die Verkarstung des Muschelkalks zurückzuführen.
Eine Besonderheit bilden die "schwebenden" Schichtgrundwässer im Oberen Muschelkalk und die Steinsalz- und Gipsauslaugungen im Mittleren Muschelkalk. Im Unteren Muschelkalk sind bisher wenig Höhlen bekannt, doch zeigen die Eberstadter Tropfsteinhöhle und die benachbarte Höhle Hohler Stein, dass auch hier mit weiteren bedeutsamen Entdeckungen zu rechnen ist.
Sonstige Karstgebiete
Neben den beiden Hauptkarstgebieten tritt eine Vielzahl lokaler Erscheinungen auf, die hier nur gestreift werden können. Im Südwesten Baden-Württembergs, im Gebiet um Freiburg, gibt es im Braunen Jura im Gegensatz zur Schwäbischen Alb mächtige Kalkschichten (Hauptrogenstein), die verkarstet sind. Zudem befinden sich gerade in diesem Gebiet im Zusammenhang mit dem Einbruch des Rheingrabens einzelne Schollen von Weißem Jura (Isteiner Klotz) und Muschelkalk (Emmendingen). Aufgrund der Löslichkeit der Gipsschichten verkarstet auch der Gipskeuper in Baden-Württemberg. Es sind jedoch nur wenige dauerhafte Hohlräume bekannt (Quellhöhle Kressbrunnen bei Gaildorf). Eine Ausweisung des Gipskeupers als Karstgebiet ist auf der Karte aus diesem Grunde nicht erfolgt. Bekannt sind hier Schlottenbildungen (Bühlertann) und Einbrüche mit umgestülpter Trichterform durch Auslaugung des Untergrundes und Nachbruch überlagernder Schichten.
Ebenfalls im Keuper, in den Schichten des Kieselsandsteins und des Stubensandsteins liegen spezielle, nicht an Verkarstung gebundene nischenförmige Höhlen (Klingensohlenhöhlen). Kleinere Höhlenbildungen sind auch im Buntsandstein und im Granit von Schwarzwald und Odenwald bekannt.
Lokal wichtig, aber flächenmäßig wenig verbreitet, sind die Travertin- und Kalktuffbildungen des Quartärs, in denen Primärhöhlen auftreten können (Bad Cannstatt, Wasserfallhöhle bei Bad Urach). Der bekannteste und größte Hohlraum dieser Gruppe ist die als Schauhöhle zugängliche Olgahöhle in Lichtenstein-Honau.
Gesteinsunabhängig ist die Bildung von Abrißklüften, die sich meist auf Talzuschub eines Gesteinspakets über gleitfähigem Untergrund zurückführen lässt.
Im Höhlenkataster Südwestdeutschland, das alle Gebiete Baden-Württembergs mit Ausnahme der Schwäbischen Alb umfasst, sind derzeit rund 800 Objekte, davon über 500 Höhlen, registriert.