Höhlenschutz in Baden-Württemberg

Wer Höhlen­forschung be­treibt, wer sich in seiner Frei­zeit durch lehmige Eng­stel­len zwängt oder wer sich in gähnende Schächte ab­seilt, der hat selbst­verständ­lich ein In­teres­se daran, dass die Objekte seiner Forschungen mög­lichst un­verändert er­halten bleiben.

Besucheransturm an der Falkensteiner Höhle
Besucheransturm an der Falkensteiner Höhle
(Bild: Archiv des LHK)

Deshalb ist Höhlen­forschung schon im­mer mit dem Schutz der Höhlen verbunden gewesen.

Im Jahr 1975, dem Inter­nationalen Jahr des Höhlen­schutzes, wurden diese Aktivi­täten ver­stärkt. Die mit der Höhlen- und Karst­forschung be­schäftigten Ver­eini­gungen nahmen das Höhlen­schutz­jahr zum An­lass, ko­ordi­niert und flächen­deckend Höhlen- und Karst­er­scheinungen vom touristischen und Zivili­sations­müll zu be­freien. Ein neues Be­wusst­sein beim Er­leb­nis in der Natur wurde ge­fordert. Aus­ge­drückt wurde dies durch das Motto des Höhlen­schutz­jahres:

Nimm nichts mit,
lass nichts zurück,
zerstöre nichts und
schlag nichts tot.

Den Fleder­mäusen, den "Wappen­tieren" der Höhlen­forscher, galten schon im­mer die Auf­merk­sam­keit und ein be­sonderer Schutz. Da­raus re­sultiert letzt­end­lich die Gründung der "Arbeits­ge­mein­schaft Fleder­maus­schutz Baden-Württem­berg" durch Höhlen­forscher in Zu­sam­men­arbeit mit frei­wil­ligen Arbeits­gruppen an den Uni­versi­täten des Landes. Als die Arbeits­ge­mein­schaft 1993 in einen ein­ge­tragenen Ver­ein um­ge­wandelt wurde, er­ar­beitete der Vor­stand des Landes­ver­bandes die hier­für not­wendige Satzung. Der LHK wurde Gründungs­mit­glied der "Arbeits­ge­mein­schaft Fleder­maus­schutz Baden-Württem­berg e. V.". 2015 wurde - wieder unter Beteiligung Baden-Württembergischer Höhlenforscher - der Bundesverband für Fledermauskunde als Dachverband gegründet.

Heute werden Sommer- und vor allem Winter­quartiere der Fleder­mäuse in enger Zu­sam­men­arbeit von der Arbeits­ge­mein­schaft Fleder­maus­schutz und von Höhlen­forschern ge­sichert und über­wacht. Der Landes­ver­band für Höhlen- und Karst­forschung trägt dem be­sonderen Schutz der Fleder­mäuse durch das Re­ferat Fleder­maus­schutz Rechnung, welches das um­fang­reiche Referat Höhlen­schutz unter­stützt. Kon­se­quenter­weise ver­steht der Landes­verband für Höhlen- und Karst­forschung nicht nur den Schutz der Höhlen als seine wichtigste Auf­gabe, son­dern eben­so den um­fas­senden Schutz aller Karst­er­scheinungen. Der Landes­verband will nicht nur eine Lobby der Höhlen­forscher sein, son­dern einen weit­gehenden Schutz aller Karst­er­scheinungen gegen­über Behörden und zu­wider­lauf­enden Nutzungs­in­ter­essen ver­treten.

Daher ist der LHK seit 1992 Mit­glied im Landes­natur­schutz­ver­band Baden-Württem­berg (LNV), der an­er­kannter Natur­schutz­verband nach § 3 UmwRG / § 63 BNatSchG sowie Dach­ver­band der Natur­schutz­ver­bände in Baden-Württemberg. Der Landes­ver­band kann somit über den LNV, der bei recht­lichen Ver­fahren an­ge­hört werden muss, Einf­luss nehmen.

Die rechtliche Lage zum Schutz von bemerkens- und schützens­werten natür­lichen Ge­geben­heiten hat sich in den letzten Jahren ge­bes­sert. An­träge von Höhlen­forschern bei den Natur­schutz­be­hörden führten in Baden-Württem­berg zur Aus­weisung von über hundert Höhlen und Dolinen als Natur­denk­male. Weitere An­träge sind ge­stellt, und es wird Auf­gabe des Landes­ver­bands sein, auf einem kon­sequenten recht­lichen Schutz der Karst­er­scheinungen zu be­stehen.

Im Grundsatz ist dieser Ge­danke auch von offizieller staat­licher Seite an­er­kannt. Ins­be­sondere von der LUBW (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) wurden Im­pulse zur Aus­weisung "geo­logischer Natur­denk­male" ge­ge­ben. Im baden-württem­bergischen Natur­schutz­gesetz, welches 1975 die Formu­lierungen des "Reichs­natur­schutz­ge­setzes" ab­löste, werden Höhlen erst­mals als Natur­denk­male erwähnt. Seit April 2018 sind „Höhlen und naturnahe Stollen“ auch um Bundesnaturschutzgesetz als gesetzlich ge­schützte Biotope aus­gewiesen (§ 30 BNatSchG).

In der Richtlinie 92/43/EWG des Europäischen Rates (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) werden Höhlen, Dolinen und Kalktuffquellen als geschützte Habitatstypen (auch Lebensraumtypen) definiert welche bezüglich ihres Zustandes zu überwachen sind. Die Umsetzung in nationales Recht ist Sache der Mitgliedsstaaten. Grundsätzlich baut die Richtlinie auf mehreren Säulen.

  • Bestandsaufnahme und Schutz der Habitatstypen in ausgewiesenen Schutzgebieten (FFH-Gebiete) über Managementpläne.  Dort wird der Eingangszustand dokumentiert und es werden Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen definiert.
  • In den Managementplänen sind neben den Habitaten auch „Arten von Gemeinschaftlichem Interesse“ (Anhang II und IV FFH-Richtlinie) zu berücksichtigen
  • FFH-Stichprobenmonitoring. In Sechsjahreszyklen werden die einzelnen Lebensraumtypen Stichprobenartig überwacht. In Baden-Württemberg sind hierzu 21 Objekte des Lebensraumtyps 8310 Höhlen und Balmen benannt. Grundsätzlich gilt ein Verschlechterungsverbot.

In Baden-Württemberg erfolgt die Bestandsaufnahme bei den Managementplänen oft nur mangelhaft, meist ohne Besuch vor Ort. Dies führt dazu, dass Höhlen bewertet, geschützt und gepflegt werden, die zum Teil seit Jahrzehnten nicht mehr existent sind. Diese Maßnahme zur Kostensenkung wird vom LHK angemahnt.
Dem entgegen steht das Stichprobenmonitoring welches vom LHK durchgeführt wird und zumindest eine Gesamtübersicht über den Zustand Baden-Württembergischer Höhlen zu geben vermag. Darüber hinaus werden vom LHK grundsätzlich Höhlen und Stollen gemäß FFH-Schema bewertet und die Ergebnisse in der Datenbank des Bundesverbandes (VdHK) archiviert. Unter anderem um den Versäumnissen bei den Managementplänen entgegen zu wirken.

Die möglichen Gründe für eine Verschlechterung des Lebensraums sind zahlreich:

  • Müllablagerung. In Höhlen meist kleinräumig und daher zumindest keine erhebliche Belastung. Bei der Verfüllung von Dolinen mit Müll hingegen können ganze Höhlensysteme betroffen sein, wenn durch versickerndes Wasser habitatsfremde Substanzen eingetragen werden (z. B. Altöl)
    Leider wird immer noch regelmäßig totes Wild in tagoffene Schachthöhlen geworfen. Liebe Jäger, das Verpacken in Müllsäcken behebt das Problem nicht ansatzweise! (aktuelle Beispiele Jungholzschacht, Bäumlerschacht, Erbsenlandgrube)
  • Eutrophierung von Grundwassersystemen (Beispiel Mordloch, Blauhöhlensysten). Kläranlagen und Landwirtschaft können erhebliche organische Einträge in den Karstkörper einbringen. Der massiv erhöhte Nährstoffgehalt ermöglicht manchen Arten eine schnelle Vermehrung (z. B. Höhlenflohkrebs, Regenwürmer) und verdrängt sensible Arten (z. B. Brunnenschnecken). Die Individuenzahl nimmt zu und die Artenvielfalt ab.
  • Feuerstellen. Viele Höhleneingänge werden gerne als Lagerplatz mit Feuerstelle genutzt. Dabei wird gerne übersehen, dass bereits der Eingangsbereich Habitat für zahlreiche Arten darstellt. Besonders betroffen hiervon sind überwinternde Fledermäuse. Neben Feuer, Rauch und Hitze beeinträchtigen auch die verrußten Wände die Lebensraumqualität.
  • Winterbefahrungen. Zahlreiche Höhlen bei bekannten Ausflugszielen werden auch im Winter häufig aufgesucht. Dabei werden überwinternde Tiere wie Fledermäuse erheblich gestört. Vor allem in strengen Wintern hat das letale Auswirkung (z. B. Sibyllenhöhle, Veronikahöhle, Falkensteiner Höhle, Barnberghöhle…).
  • Geologische und hydrologische Veränderungen mit natürlichen oder/und anthropogenen Ursachen (z. B. Bergsturz an der Eisbärenhöhle, 2017; Aufstauung Wasserspiegel Uracher Tropfsteinhöhle, 1964).
  • Hoher Besucherdruck führt zu mehreren Veränderungen. Es entstehen Abnutzungsspuren am Gestein („Abspecken“), generelle Störung, menschliche Hinterlassenschaften wie Müll und Fäkalien, Trittschäden betreffen bodenbewohnende Arten - vor allem im Eingangs- und Übergangsbereich (Beispiel Falkensteiner Höhle, Dreieingangshöhle, Gustav-Jakob-Höhle, Veronikahöhle und viele mehr).
  • Abbau und Materialentnahme. In Steinbrüchen und bei Bauprojekten werden regelmäßig Höhlen abgebaut oder verfüllt. Nur selten können Höhlen erhalten werden und noch seltener deren Zugänglichkeit (positive Beispiele: Deutsche Bahn, Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, Abschnitt Albhochfläche; Laierhöhle). Glücklicherweise ist die kommerzielle Entnahme von Tropfsteinen und Sinter heute kaum mehr ein Thema.
  • Geocaching. Durch Geocaching wird teilweise auf Höhlen aufmerksam gemacht, die bisher durch ihre Unbekanntheit bestens geschützt waren. Hinzu kommt, dass hier der Höhlenschutz oft vernachlässigt wird. Sei es durch Winterbefahrungen oder durch fehlende Erfahrung. Dies gilt unverändert auch für andere Formen der Bekanntmachung im Internet. Der LHK berät hier und empfiehlt die saisonale Sperrung von Geocaches sowie die Nennung des § 39 BNatSchG zur Verdeutlichung der Wintersperre.
  • Höhlenverschlüsse. Wo Empfehlungen und Gesetze nicht ausreichendend Schutz gewährleisten können, wird in der Regel ein Tor am Höhleneingang angebracht. Dieses sollte vor allem amphibien- und fledermausgerecht sein. Weitere Gründe für Höhlenverschlüsse sind Tore bei Schauhöhlen und Höhlen auf Privatgrund, hier stehen meist Haftungsfragen im Vordergrund.
Stalagmit aus Eis
Stalagmit aus Eis
(Bild: T. Rathgeber)

Das Höhlenschutzmotto – Benimm­-Regeln in Höhlen

Nimm nichts mit – außer Eindrücken und Fotos
Hier geht es nicht nur um offensichtliche Funde wie Archäologie, Paläontologie und Tropfsteine, sondern auch darum die Höhlen so gut wie möglich im natürlichen Zustand zu erhalten. Kommende Generationen werden Forschungsmethoden und Ziele haben die wir uns heute nicht vorstellen können oder zumindest nicht bedenken.

Lass nichts zurück – außer Fußabdrücken
Abfall gehört nicht in die Höhle. Er schädigt ein emp­find­liches Öko­system. Die Verwendung von Fackeln ist nicht mehr Zeitgemäß, ihr Ruß schwärzt Höhlen­wände und Tropf­steine. Es gibt heute LED-Lampen. Leere Batterien können leicht wieder mitgenommen werden oder im Idealfall durch wieder aufladbare Akkus ersetz werden. Auch Karbidlampen sind nicht mehr aktuell und nurmehr zu besonderen Anlässen wie historischen Führungen zu befürworten. Leider noch häufig anzutreffen sind Feuerstellen in Höhleneingängen. Der Rauch zieht in die Höhle und kann Lebe­wesen (Fleder­mäuse, Schmetter­linge u. a.) beeinträchtigen.

Zerstöre nichts – außer Vorurteile
Tropf­steine und Mineralien sind erhaltenswert, andere Be­sucher wollen sich auch weiterhin über eine in­takte Höhle freuen können. Schon ein blei­stift­dünner Tropf­stein braucht mehrere Jahr­zehnte, um einen Zenti­meter lang zu wer­den. Es gibt keinen Grund vor­handene Wege zu verlassen, empfindliche Strukturen zu zertreten und In­schriften in Höhlenwände zu ritzen.

Schlag nichts tot – außer Zeit
Hilf mit Fleder­mäuse und andere Höhlenbewohner zu schützen! Sie sind teilweise vom Aus­sterben be­droht. Winter­be­fahrungen sind vom 01.10. – 31.03. grundsätzlich verboten, auch in kleinen Höhlen. Regelmäßige Quartierkontrollen zeigen, dass selbst Höhlen mit denkbar schlechter Quartiereignung von Fledermäusen genutzt werden. Es gibt keine Eile - die Höhlen werden im darauffolgenden Sommer immer noch da sein!

Wir sind in dieser faszinierenden Welt ohne Licht nur Gäste. Wenn wir sie erhalten, werden das die kommenden Generationen auch sein können.