Ethik
Richtlinien des Landesverbands für Höhlen- und Karstforschung Baden-Württemberg e. V. (LHK)
1. Definition
Diese Richtlinien bilden einen Zusatz zur Satzung des LHK. Sie halten die Grundzüge der moralischen Verantwortung der Höhlen- und Karstforscher fest, ganz gleich, in welchem Land oder Erdteil sie sich gerade aufhalten.
Leitsatz: Eine aus eigenem Antrieb formulierte Ethik hat bessere Aussichten eingehalten zu werden.
2. Ziele
Formulierung ethischer Prinzipien in Form von Richtlinien. Es handelt sich dabei nicht um Vorschriften. Die Richtlinien könnten aber als Basis für konkrete Maßnahmen verwendet werden.
Anstreben einer freiwilligen Übereinkunft unter den Speläologen und Höhlentouristen, um Höhlen- und Karstgebiete möglichst wenig zu beeinträchtigen.
Größtmögliche Verbreitung dieser Stellungnahme bei Höhlenforschern innerhalb und außerhalb des LHK, bei Behörden, Schauhöhlenbetrieben etc. und Suche nach Unterstützung für die Bewahrung der typischen Landschaften und der Höhlen.
Für Interventionen bei Behörden zum Schutze von Höhlen, Karst und typischen Landschaften benötigt der LHK höchste Glaubwürdigkeit.
Leitsatz: Zuerst mit gutem Beispiel vorangehen, dann fordern.
3. Ethik und Vorschriften
Richtlinien sind prinzipiell einer Vorschriftensammlung vorzuziehen, da gemeinsam abgefasste Empfehlungen viel eher vom einzelnen Höhlenforscher eingehalten werden als Gesetze, die außerhalb der Vereine entstanden sind und welchen die Gefahr der Eigendynamik anhaftet. Selbst wenn bei den meisten Prinzipien a priori Einhelligkeit besteht, verleiht ihnen die schriftliche Festhaltung mehr Einfluss und bildet zudem eine wichtige Grundlage, um die Kreise außerhalb des LHK zu informieren. Ein Text, der die Einstellung von tausend LHK-Mitgliedern festhält, kann wesentlich mehr bewirken, als der Vorstoß eines einzelnen.
Vorschriften, Gesetze und Prüfungen sollten grundsätzlich immer das allerletzte Mittel darstellen. Die freiwillige Einhaltung ethischer Prinzipien verhindert letztlich die Entstehung und Verschärfung von Vorschriften und beschränkt den Verschluss von Höhlen zu deren Schutz auf wenige Ausnahmefälle. Jedem Höhlenforscher sollte es am Herzen liegen, die Grundsätze dieser Richtlinien weiterzuverbreiten, wo auch immer er sich befindet.
Leitsatz: Eigenverantwortung ist der beste Höhlenschutz.
4. Vorgehen
Die drei nachfolgend beschriebenen Stoßrichtungen sollten von jedermann auf allen ihm möglichen Ebenen weitergetragen werden. Die Koordination dieser Bemühungen soll eine Daueraufgabe des Referats für Höhlenschutz sein.
Innerhalb des LHK: Überzeugung der aktiven Höhlenforscher und -touristen von der Nützlichkeit der Richtlinien. Dabei kommt den Referaten (insbesondere dem Referat für Jugendarbeit und Ausbildung) und den Vereinen eine entscheidende Bedeutung zu. Auch die Veröffentlichung von entsprechenden Artikeln in den Fachpublikationen trägt zur Sensibilisierung bei.
Außerhalb des LHK: Organisation von Vorträgen; Ausarbeitungen und Verbreitung von Prospekten, bestimmt für Behörden, Schauhöhlenverwaltungen etc.; Redaktion von entsprechenden Artikeln und Pressemitteilungen; Aktionen in Zusammenarbeit mit den Organen des Naturschutzes.
Parallel dazu: Im Rahmen des Referats für Höhlenschutz muss überlegt werden, wie den Auswirkungen des Massentourismus, des Höhlentrekkings und der willentlichen Karstverschmutzung an der Oberfläche und in der Höhle begegnet werden kann.
Leitsatz: Die Referate für Jugendarbeit + Ausbildung und Höhlenschutz haben somit eine Daueraufgabe.
5. Höhlenforschung und Tourismus
Die Unterscheidung der beiden Aspekte ist nicht realistisch, denn jeder Forscher betätigt sich auch als Höhlenbesucher. Die Forschung ist allerdings viel mehr als der reine Höhlenbesuch von den investierten Mitteln abhängig (Arbeitsaufwand, Wissensvermittlung, Erfahrungswerte, Geldmittel, Koordination, Dokumentation, Veröffentlichung etc.) und benötigt entsprechende Unterstützung.
Beide Aspekte des Höhlenbesuchs können die Höhlen gleichermaßen gefährden, dann nämlich, wenn der Zweck die Mittel heiligt etc. Wichtig ist einzig die Verhaltensweise jedes einzelnen gegenüber den unterirdischen und oberirdischen typischen landschaftlich geprägten Merkmalen.
Der Höhlentourismus kann allerdings ein erhöhtes Gefahrenpotential für Höhle und Karst darstellen: Im Vergleich zu den kleinen Forschungsgruppen sind die reinen Höhlenbesucher sehr zahlreich. Die Höhlen werden entsprechend mehr beansprucht. Das Umgehen mit dem Phänomen Höhle und die notwendige Ethik ist in großen Gruppen schwierig zu vermitteln. Die Höhle bildet oft eine große Herausforderung. Wird sie nur als Sportgerät benützt, so wird sie auch nicht mehr respektiert. Das Trekking, da unter der Obhut von Führern, kann diese negativen Auswirkungen theoretisch vermindern, aber: diese Kontrollen sind zeitlich beschränkt, und es wird kaum möglich sein, den zahlreichen "Kunden" das respektvolle Verhalten gegenüber der Höhlenwelt beizubringen.
Höhlen-Trekking basiert auf ökonomischen Prinzipien: Besuch und Teilnehmer müssen möglichst zahlreich sein (was nur mit Werbung zu erreichen ist). Dies kann zu einer explosionsartigen Entwicklung führen. Dadurch können die heutigen Kunden zu zukünftigen Höhlengängern werden, welchen das Verständnis für die empfindliche Höhlenwelt fehlt.
Die Entwicklungen und Folgen in einigen Ländern sprechen für sich: häufige Unfälle, Höhlenverschlüsse, administrative Probleme (Versicherungen, Erlasse, Vorschriften, Ausbildungsnachweise, gespannte Verhältnisse zu privaten Eigentümern und Gemeinden, etc.). Aus diesen Gründen lehnen die höhlenforschenden Organisationen Baden-Württembergs den Massentourismus und das Trekking grundsätzlich ab und enthalten sich jeder aktiven Beteiligung. Hingegen ist der Versuch zu unternehmen, die sich abzeichnende Entwicklung in eine weniger gefährliche und zerstörende Richtung zu steuern (z. B. Formulierung von Richtlinien; Vorschlag von Höhlen, die sich für Besuche eignen).
Leitsatz: Jeder Höhlenforscher kann zum Schutz von Höhlen beitragen.
6. Dokumentation, Publikation und Datenschutz
Grundsätzlich ist die Dokumentation und Publikation der Forschungsresultate anzustreben. Es liegt in der Eigenverantwortung des Autors, ob, in welcher Form und in welchen Medien er die Publikation verantworten kann. Einige Leitlinien mögen für den jeweiligen Entscheid von Nutzen sein:
Die Dokumentation über eine Gegend oder Höhle wird in den Katastern gesammelt und bleibt den Forschern zugänglich, die dort aktiv sind. Anfragen von Dritten werden in der Regel an die Forschergruppen weitergeleitet. Auskünfte und Informationen werden auf der Basis einer vertraulichen, gegenseitigen Zusammenarbeit erteilt bzw. weitergegeben.
Wissenschaftliche Publikationen sollten grundsätzlich die vollständigen Informationen enthalten; gewisse Daten (Koordinaten etc.) können im Fall einer akuten Gefährdung vom Autor vorenthalten werden. Dieselben Ausnahmen gelten für die Kataster, indem gegebenenfalls der Zugang zu den darin enthaltenen Informationen eingeschränkt wird.
Artikel, die sich an ein breites Publikum richten, haben hingegen keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Koordinaten oder technische Daten sollten weggelassen werden. Diese Publikationen sollten Sensationsdarstellungen vermeiden und auf die Aufklärung der Öffentlichkeit ausgerichtet sein.
Leitsatz: Veröffentlichung – eine Aufgabe der Ehrlichkeit und eine große Verantwortung.
7. Verhalten in der Höhle
Die Eigenverantwortung jedes Einzelnen bildet den besten Schutz für die Höhle. Der Höhlenforscher sollte so behutsam wie möglich mit der Höhle umgehen und die folgenden Grundsätze beachten:
Gute Kontakte zu Ortsansässigen sind für die Höhlenforscher die Grundlage einer erfolgreichen Arbeit im Forschungsgebiet. Man denke dabei an Dinge wie Wegbenutzung, Parken der Fahrzeuge, Abfall, nächtliche Lärmbelästigung, Respektierung von Forst- und Agrarkulturen, Beunruhigung des Weideviehs und des natürlichen Wildbestandes etc.
Grundsätzlich nichts beschmutzen, nichts wegnehmen, nichts zurücklassen und so wenig Spuren wie möglich hinterlassen. Nicht nur, was für unser Auge schön erscheint, ist erhaltenswert, sondern die Höhle als Gesamtes. Dazu gehört auch die Erhaltung von Kalkablagerungen und Sedimenten (Sinter, Sand, Lehm, Versturzmassen etc.), welche als Erbe der Natur anzusehen sind. In größeren Höhlenräumen darf der "Forscherweg" nicht verlassen werden. In altbekannten und leicht zugänglichen Höhlen sind meist sämtliche Bodenformationen zertrampelt.
Die Höhle als empfindliches Biotop betrachten und seine Bewohner, welche mikroskopisch klein sein können, nie vergessen. Auf Tiere an den Höhlenwänden und am Boden ist sorgfältig zu achten. Gegebenenfalls ist die Befahrung abzubrechen. In diesem Sinne sollte auch das klimatische Gleichgewicht der Höhle nicht dauerhaft verändert werden.
Für alle Arbeiten mit Fledermäusen ist eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, die vom zuständigen Regierungspräsidium erteilt wird. Bevor eine solche Genehmigung beantragt wird, ist Kontakt mit dem zuständigen Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg aufzunehmen. Die Befahrung von Höhlen, die als Winterquartiere von Fledermäusen bekannt sind, ist während der Winterschlafperiode von 1. Oktober bis 31. März zu unterlassen. Werden in anderen Höhlen erstmals Fledermäuse angetroffen, ist die Befahrung abzubrechen und ein Vertreter der AG Fledermausschutz zu verständigen.
Verletzte oder kranke Fledermäuse müssen von einem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg untersucht werden. Er soll dann entscheiden, ob die Tiere nach der Behandlung wieder freigelassen werden können. Über den Verbleib von Tieren, die auch nach der Pflege nicht in die Freiheit entlassen werden können, ist im Einvernehmen mit dem Vertreter der AG Fledermausschutz zu entscheiden.
Tote Fledermäuse sollen grundsätzlich mit Datum und Fundortangabe an die staatlichen Museen für Naturkunde in Stuttgart oder Karlsruhe gesandt werden. Der Kontakt zu Vertretern der AG Fledermaussschutz kann durch den Referenten des LHK für Fledermausschutz vermittelt werden.
Die eigenen Leistungsgrenzen nie überschreiten; eine gute Selbstbeherrschung ist die beste Garantie für angemessenes und bewusstes Verhalten (mit der Übermüdung gehen alle guten Vorsätze verloren).
Das Anbringen von Hilfen und festen Einrichtungen in Höhlen sollten möglichst minimal sein und unscheinbar bleiben, aber ohne Gefährdung der allgemeinen Sicherheit. Es ist vorteilhaft, wenn die Expeditionen möglichst sorgfältig geplant und vorbereitet werden. Sie sind dann einfach durchzuführen und die Transporte bleiben auf das Nötigste beschränkt. Damit entfallen auch übermäßige Einrichtungen und Einbauten.
Künstliche Veränderungen (Konstruktionen, Einrichtung von permanenten Biwaks, massive Freilegungen, Grabungen, Absenkungen von Siphonen etc.) sollten die Ausnahme sein und Einrichtungen wie Einbauten nach Möglichkeit rückbaubar sein. Die Entscheidung bedarf jeweils reiflicher Überlegung der Folgen für die Höhle, z. B. klimatische Veränderungen.
Die Gruppengröße beim Besuch von Höhlen ist dem Objekt angemessen zu planen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede Begehung in der Regel zu Veränderungen führt.
Besuche von Höhlen oder von Systemen, die in Bearbeitung sind, sollten nach Absprache mit den dort aktiven Höhlenforschern stattfinden, dies aus Sicherheitsgründen und aus Respekt vor dem geistigen "Anrecht". Allerdings leitet sich daraus kein Anspruch der regelmäßig aktiven Forscher auf die Höhle an sich ab. Der LHK wendet sich gegen übertriebene Verschlüsse von Höhlen.
Leitsatz: Zuerst überlegen, dann handeln – unüberlegte Aktionen können katastrophale und unwiderrufliche Folgen haben.
Und das HÖHLENSCHUTZMOTTO nie vergessen:
Nimm nichts mit,
Lass nichts zurück,
Zerstöre nichts
und schlag nichts tot!
Ethik im PDF Format (2016) | 131 kB